hamletrakete

muenchner helden*theater - HAMLETRAKETE
muenchner helden*theater - HAMLETRAKETE

Hamlet hadert mit dem Schicksal, ein Sinnbild des die Welt hinterfragenden Menschen zu sein. Er ist in einer privilegierten Situation. Sein Stiefvater Claudius ist CEO einer florierenden Rüstungsfirma. Und Hamlet soll einsteigen und ihn beerben. Hamlet selber hat andere Pläne. Er will mit einer Rakete dem irdischen Dasein entfliehen – ob dies im Wortsinne überhaupt möglich ist, also ob die Rakete flugtauglich ist, bleibt offen. Seine Umgebung interpretiert Hamlets Absichten dabei völlig unterschiedlich. Während sein Stiefvater eine Marketingstrategie wittert, mit der sich der junge Hamlet in der kapitalistischen Welt etabliert, ist für Ophelia die Rakete ein Mittel zum romantischen „Durchbrennen“ des Liebespaars und seine Mutter Gertrud will das sowieso verhindern.

 

Mit Hamletrakete hat Andreas Berner eine Komödie geschaffen, in der das Personal des Shakespeare’schen Dramas auf die gegenwärtige Realität des Kapitalismus trifft, ohne sich in seinem Gebaren wesentlich ändern zu müssen. Wahnsinnig wird nicht Hamlet, sondern die Gesellschaft ist es bereits. Wie schon in seinen letzten Produktionen ist Berners neues Stück voller Anspielungen auf die Verrücktheiten der Gegenwart. Selbstironisch lässt er auch Seitenhiebe auf seine letzten Stücke nicht aus. Inspiriert von Shakespeare zündet das Münchner Helden*Theater ein Feuerwerk an gegenwärtiger Gesellschaftskritik.

 

Mit: Ali Akbaba, Robin Elsayed, Holger Jerzembek, Katrin Schmölz, Martina Sedlmeier, Thomas Stumpp und
Katrin Thomaschewski

Regie, Musik, Ausstattung, Visuals: Georg Grieshaber

Dramaturgie: Andreas Berner

 

Aus dem Programmzettel:

Am 11. Juli 2021 ist der englische Milliardär Branson mit seinem eigenen Raumgleiter 80 Kilometer bis an den Rand des Weltraums geflogen, einfach nur zum Spaß. Natürlich war dies auch eine PR-Aktion und ein Testflug für seine Firma, die mit solchen Raumgleitern künftig Weltraumtouristen ins All fliegen will, für den Preis von 250.000 Dollar. Es soll bereits 600 Ticketreservierungen geben. Am 20. Juli 2021 flog der amerikanische Milliardär Bezos ebenfalls mit seinem eigenen Raumgleiter in das All, in eine Höhe von nun 100 Kilometern. Am 15. September 2021 ermöglichte Milliardär Elon Musk reichen Privatpersonen mit seiner SpaceX-Rakete einen Trip in den Weltraum.

 

Worin liegt der Nutzen solcher Vorhaben? Er liegt zum Beispiel im Vergnügen reicher Menschen, die sich damit lang gehegte Wünsche erfüllen. Womöglich dient ihnen diese Extremerfahrung als Möglichkeit, ihrem stupiden Alltag zu entfliegen, sich durch diesen Nervenkitzel wieder ein wenig lebendiger zu fühlen, zum „Astronaut“ gekürt zu werden, eine andere Perspektive einnehmen zu können. Was genau diese Menschen zu solchen Taten bewegt, wissen wir an dieser Stelle nicht. Was würde Sie dazu bewegen?

 

Der Menschheit bringt dies aber nicht viel. Weltraumtourismus ist wirklich das Letzte, was man in Zeiten der globalen Klimakrise ermöglichen sollte. Hier werden Ressourcen verpulvert, der klimaschädliche Fußabdruck ist enorm, das Geld wäre besser in sozialen Projekten oder Umweltschutz investiert. Und eine wichtige zukunftsweisende Entwicklung wäre es nur für den Fall, dass unsere Erde zunehmend nicht mehr bewohnbar werden sollte. Aber das gilt es doch erstmal zu verhindern. Weltraumflüge, irgendwie auch zynisch? Oder einfach folgerichtig in unserer heutigen Welt?

 

Unser Hamlet hat ebenso versucht, eine solche Rakete zu bauen. Aber ganz eigennützig und unschuldig. Er sieht sie als Fluchtvehikel, das ihn aus seinem trostlosen Leben bringen soll. Als Spross einer superreichen Unternehmerfamilie hat er auch die Mittel und die Gründe dazu. Erst sein Stiefvater Claudius will ein Geschäft aus dem Vorhaben machen. Aber was hat Hamlet letzten Endes tatsächlich von seinem Projekt? Nichts, gar nichts. Man kann seinem Unglück nicht mit einer Weltraumfahrt entkommen. Stattdessen gilt es hier innere Arbeit zu tun. Das Leben ändert sich dann wie von selbst.

 

Das Stück HAMLETRAKETE untergliedert sich in zwei Teile. Der erste Teil stellt dar, wie sich die Figuren ihre eigenen Welten mit ihrem Verstand/Geist erschaffen und dadurch ihr eigenes Leid und das anderer verursachen. Der zweite Teil stellt die Befreiung aus der illusionären Verstrickung im Verstand durch die volle Sicht auf die Wahrheit und das Sosein der Dinge dar, die sich hier in der Glückseligkeit der Figuren äußert. Es ist wie ein Tod im übertragenen Sinne, da das alte leidhafte Leben endet und einem neuen Leben Platz macht, das endlich real ist und Glückseligkeit bereit hält. Wie dies geschieht, ist unbeschreiblich und unterliegt der eigenen Erfahrung. Die verschiedenen Wege dorthin sind allerdings z.B. im Buddhismus beschrieben und können begangen werden. In unserem Stück ist es ein plötzliches Geschehen, quasi „genug gelitten, genug erkannt, genug losgelassen, genug geöffnet, damit es geschehen kann. Es ist Gnade, Gnade“.